Mit Caravaggio beginnt der Expressionismus, könnte man sagen. Er revolutioniert die Wahrnehmung des Sichtbaren, betont den Naturalismus, verhüllt seine Bildinhalte mit dem Mantel der Allegorie, für ihn stehen Hirtenknaben und Prostituierte als Heilige zu Modell.
Michelangelo Merisi, gen. Caravaggio (1571-1610), ist seit der Düsseldorfer Ausstellung 2006 auch für das breite deutschsprachige Publikum zum Grundbegriff geworden. In Rom folgen wir den Spuren seiner ersten Tätigkeit als Protége einiger kunstfördernder Adelsgeschlechter. Sein kurzes aber abwechslungsreiches Leben ist eine Gratwanderung zwischen Genie und Wahn, zwei Begriffe, die sein Oeuvre stark prägen werden.
Wie ein Wahnsinniger läuft dieser Lombarde nachts durch die Gassen, sein Gebrüll und seine Untaten werfen ein negatives Licht auch auf Euren Namen" - so schreibt der Sekretär eines Kardinals vom Gemüt dieses sehr exzentrischen Künstlers aus Norditalien.
Kunst-vernarrte Adelige und Kirchenfürsten liebten Caravaggio, sie förderten sein Genie und sein Können, solange er Fruchtkörbe oder Stillleben malt. Der Skandal explodiert mit den christlichen Bildinhalten: nackte Heilige, stumpf drein-blickende Madonnen, Aposteln mit Gesichtsfalten, er nahm Vorstadt-Kinder als Modelle etc.
In einem nächtlichen Straßen-Duell tötet er den Sohn eines Mächtigen und muss fliehen - nach Malta geht er, wo er einige Jahre wohnen wird.
Wenn man mal vor einem Bild Caravaggios gestanden ist, erkennt man seinen Stil: unglaublicher Realismus, Detailwiedergabe, Dramatik, Schrecken.
Nur in Rom ist dies möglich: Caravaggio im originalen Kontext. Die Werke hängen nicht in den originalen Kapellen, die Kirchen sind baulich unverändert geblieben. Die Idealverhältnisse, um seine bahnbrechenden Stileigenschaften mit der zeitgleichen offiziellen Kunstrichtung zu vergleichen.
Auch das Stadtbild hat sich seit dem Barock gehalten, man schweift durch Caravaggios Stadtviertel „il Tridente“, wo viele "Ausländer" (Norditaliener und Nordeuropäer) wohnten. Originalquellen berichten wie hier Caravaggio mit seinen Untaten wütete: an diesen Schauplätzen wurde er mehrmals wegen Säbelrasselns und Raufereien verhaftet. Vorbei an der Kirche der Mailänder Gemeinschaft in Rom (Ss Ambrogio e Carlo) bringt uns der Spaziergang von einer Caravaggio-Kirche zur anderen.
Unglaublich dass 400-Jahre alte Bilder noch so eine Ausstrahlung haben. Der Caravaggio geht direkt ins Herz, ideale Führung für kunstsensible Menschen. Während wir die Werke betrachteten hat uns Benedetta von RomaCulta unaufdringlich von hinten die Deutung zugeflüstert.
Es wäre gut gewesen, darauf hinzuweisen, dass, um Caravaggio zu sehen, genügend kleines Lichtgeld mitgeführt werden muss, weil sonst die Bilder im Dunkel bleiben.
Die Caravaggio-Führung war unser großer Wunsch nach mehreren Ausstellungen wo wir diesen genialen Künstler schätzen lernten. Wir kamen also vorbereitet! Alessandro ist Kunsthistoriker - genau das wollten wir! Bravo.
Die Führung mit Caravaggio wurde uns von Fulvio empfohlen, nachdem das Personal am Kolosseum unangekündigt streikte. Wir trafen uns um 9:00h an der Plaza del Populo und schlenderten mit Caravaggio im Unterarm durch die Stadt. Kirchen, Plätze, Straßenzüge: alles betrachteten wir mit den Augen dieses Künstlers. Wahnsinn, diese Stadt.
Caravaggio war eine schräge Persönlichkeit und seine Kunst wirkt umso verblüffender. Ohne Führung wäre es für uns (3 Personen) undenkbar gewesen, so viel über ihn zu erfahren. Was für eine geniale Persönlichkeit! Diese Führung empfehlen wir bedingungslos.